Heute beschäftige ich mich mit einer Ikone der Fotografie des 20. Jahrhunderts: László Moholy-Nagy.
Um die Schaffensweise und den künstlerischen Werdegang besser verstehen zu können, sollten wir zunächst einen Blick auf die Situation der Kunst vor seiner Zeit werfen.
Noch vor den Anfängen der Fotografie war die Malerei stets bemüht möglichst reale und abbildhafte Gemälde zu schaffen, da zu jener Zeit die Malerei als Kunst und die Malerei als Medium der Aufzeichnung noch eng miteinander verbunden waren.
Mit den Anfängen der Fotografie im 19. Jahrhundert wurde die Aufzeichnung jedoch durch die mechanische Aufzeichnung der Wirklichkeit durch die Fotografie ersetzt. Zu diesen Zeitpunkt war die Fotografie allerdings ausschließlich dokumentarisch zu sehen und nicht als Kunstform anerkannt. Als Piktorialismus wurde die Form der Fotografie beschrieben, die sich nach den traditionellen Regeln der Malerei richtete.
Um 1920 herum, in der Zeit, in der die Fotografie, durch neue Errungenschaften der Technik und die serielle Anfertigung von Kameras, einen unheimlichen Boom erfuhr, begann sich eine neue Generation von Fotografen sich mit dem Wesen der Fotografie noch einmal zu beschäftigen. Diese Auseinandersetzung wird als „Neues Sehen“ bezeichnet.
Dieses Bild von Moholy erscheint uns jetzt auf den ersten Blick als wahrscheinlich unspektakuläres Foto. Allerdings war es zu dieser Zeit bahnbrechend. Warum werde ich gleich erläutern.
Moholy gehört damit zu den Wegbereitern der heutigen Fotografie.
Aber wer ist Moholy?
Bemerkenswert ist, dass Moholy-Nagy zuerst ein Jurastudium abschloss. Ein krasser Kontrast zu seiner künstlerischen Laufbahn.
Laut historischer Quellen war er aber ein sehr gekonnter Netzwerker. Außerdem war er in der Kunst so bewandert und talentiert, dass er mit 28 Jahren Assistent von Walter Gropius (Gründer des Bauhaus) und als einer der wichtigsten und jüngsten Lehrender am Weimarer Bauhaus berufen wurde.
Ab 1928 trennte er sich sich allerdings von Bauhaus und gründete sein eigenes Atelier in Berlin. Nach der Machtergreifung Hitlers 1933, wanderte er wegen seiner “entarteten” Kunst nach Amsterdam, England und schließlich in die USA (Chicago) aus. 1938 gründete Moholy sein eigenes „New Bauhaus“ am Institut von Illinois.
Künstlerische Entwicklung von Moholy’s Stil
Moholy war Autodidakt. Er experimentierte zuerst in der Malerei mit dem Konstruktivismus. Durch die Inspirationen der Formen und Geometrien, sowie Raumtiefen, fand er schnell zu seinem Stil, der sich schließlich durch all seine Arbeiten zog. Zudem war Molholy auch ein Typograph, Fotomonteur und als Filmemacher tätig. Gleichzeitig experimentiert er mit Fotografie und Fotogrammen. Für László Moholy-Nagy stand der visuelle Charakter und die Eigenschaften des jeweils verwendeten Materials dabei im Vordergrund, wodurch er wichtige Impulse am Bauhaus gab. Eine politische Haltung oder der Realismus waren dabei für Lazlo völlig zweitrangig.
Zudem war er einer der ersten die sich mit der Medienkunst auseinandersetzten. In seiner anhaltenden Experimentierfreudigkeit probierte er sich beispielsweise in den sogenannten Telefonbildern. Bei diesem Experiment gab er am Telefon dem Arbeiter in der Druckfabrik die Anweisungen, mit Hilfe eines Rasterpapiers, sein Bild zu zeichnen.
Er nannte dieses Verfahren tatsächlich Email.
Moholys Stil prägte sich im Besonderen durch seine sehr grafischen Darstellungen aus. Dieser grafische Stil war daher auch kennzeichnend für seine Fotografien. Für ihn war die Fotografie vor allem ein Malen mit Licht. Durch das bewusste Negieren fotografischer Regeln, erreichte er stürzende Linien und nie dagewesene Perspektiven.
Seine Intention bestand darin, die Perspektive für den Betrachter aufzuheben und eine neue Sicht auf die Formen der Welt zu übermitteln. Diese Intention spiegelt sich im wesentlichen darin, dass er immer versucht hat das Subjekt, also den Betrachter mit einzubeziehen und ihn sozusagen „fliegen“ zu lassen.
Moholy-Nagy: „Raum ist eine Realität, nach eigenen Gesetzen gliederbar, er muss in seiner fundamentalen Substanz erfasst werden…. Raumgestaltung ist die Gestaltung von Lagebeziehungen der Körper.“
Dieses Schema zieht sich durch Moholys gesamte Gestaltung.
Nähere Erläuterung
Diese Gedankengänge sind die wesentlich für eine Stilrichtung der Fotografie, welche später als „Neues Sehen“ bekannt geworden ist. Wie ihr Name schon sagt, zeigt diese am Anfang des 20. Jahrhunderts eine völlig neue Art des Sehens. Sie bedient „Stilmitteln“ wie zum Beispiel experimentelle Motive, unkonventionelle Ausschnitte, extreme Perspektiven, beispielsweise Drauf- oder Druntersichten, welche in der fotografischen Kontra-Kompostion eine Eigendynamik der Bildgegestände erzeugt, die leicht zu skurrilen Eigenbewegungen der Bildelemente und phantastischen oder sogar surrealen Erscheinungen der Dinge führen können, und schließlich die Faszination vom Einfrieren bewegter Bilder, was durch Kameras nun möglich war.
All diese Stilmittel betrachtend sieht man schnell, dass für die Vertreter der Neuen Sehens fast immer die Ästhetik im Bild eine größere Rolle spielt als der Inhalt.
Dem Kamerabild wird keine inhaltliche Bedeutung beigemessen. die Objektivität der Fotografie zwingt den Betrachter zur Formung seiner eigenen Meinung. Der Fotoapparat soll das Auge lediglich in seiner Fähigkeit zu Sehen ergänzen.
Die von Moholy angestrebten Verbindungen zwischen den Bildelementen führt fast von selbst auf die gleiche Wirkungsweise hin wie der Surrealismus und Moholy schein entdeckerfreudig genug gewesen zu sein, dass er diese sich nun bietenden Aspekte aufnahm und weiterführte.
Dieser Surrealismus ist von Moholy, wie verschiedene seiner Fotografien zeigen, durchaus akzeptiert und beabsichtigt.
Warum Surrealismus?
Als Surrealismus bezeichnet man eine Strömung in Literatur, Malerei, Film und Fotografie, die um 1920 in Paris entstand.
Der Begriff Surrealismus bedeutet wörtlich: über der Wirklichkeit. Ziel der Surrealisten war es, eine übergeordnete Wirklichkeit zu schaffen, die über das, was wir sehen, hinausgeht und auch Unbewusstes und Traumhaftes einschließt. In diesem Sinne ist die Fotografie von Moholy als surrealistische Fotografie in der damaligen Zeit zu sehen.
Allerdings sind wir in der Gegenwart, durch die aktuelle Bilderflut, alle Perspektiven schon so sehr gewohnt, dass seine Bilder für uns zwar grandios grafisch, aber nicht mehr außergewöhnlich erscheinen.